Reisebericht zu unserer Indienreise im Oktober 2017 – Teil 2


Fortsetzung von Teil 1 unserer Indienreise

Im Oktober 2017 ist eine Gruppe von Asha-Varadhi Mitgliedern, Patinnen und Paten zu einer Indienreise aufgebrochen. Dort konnten einige der vom Verein geförderten Projekte besucht werden und wir konnten viele unserer Patenkinder persönlich treffen und kennenlernen.

 

St. Theresa’s Hospital

Hyderabad ist für seine hervorragende gesundheitliche Versorgung im ganzen Land bekannt, so dass viele Inder für eine Untersuchung oder Behandlung hier herkommen. Wir haben sowohl ein Krankenhaus als auch ein Heim für Straßenkinder besichtigt. Beide stehen unter Leitung des katholischen Orden JMJ Jesus Mary Joseph. Unsere Ansprechpartner vor Ort haben uns eindrucksvoll bewiesen welch unglaubliche Arbeit dort geleistet wird.

Zunächst möchte ich nun die allgemeine klinische Versorgung und anschließend die Situation im St. Theresa’s Hospital aufzeigen. In Indien gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine Pflicht- Krankenversicherung für Arbeitnehmer. Das bedeutet, nur wer sich privat versichert, hat auch Versicherungsschutz. Wer im Krankheitsfall keine Versicherung vorweisen kann, muss die Behandlungen selbst bezahlen. Dies ist für viele Inder mit sehr geringem Einkommen ein Problem, da sie sich keine Versicherung leisten können. Aber sie können auch keine Rücklagen für den Notfall bilden. Hierfür hat der Staat vorgesorgt. Familien mit sehr geringen Einkommen können eine KK- Versichertenkarte für eine kostenlose Behandlungen beantragen. Doch viele von Ihnen sind Analphabeten und kennen die Möglichkeiten nicht. Bei den staatlichen Krankenhäusern haben diese Menschen dann erhebliche Probleme, weil sie ggf. nicht ärztlich versorgt werden.

Das St. Theresa’s Hospital hat den Vorteil, dass es von der Kirche und durch Spenden finanziert wird. Hier werden ggf. auch die Ärmsten der Armen ohne Kranken- Versichertenkarte behandelt, weil das Krankenhaus die Kosten übernimmt.

Einer der OP’s

 

Aufwachraum in der Klinik

Aufwachraum der Klinik

Sr. Rajamma führte uns durch das Krankenhaus. Es gibt hier alles. Angefangen von der Notaufnahme, über sämtliche Abteilungen wie Orthopädie, Chirurgie, Radiologie, Kardiologie in der auch kleinere Herz-OP’s vorgenommen werden, Intensivstation, Gynäkologie usw. Sogar eine Geriatrie für 25 Personen ist vorhanden.

Sr. Rajamma beim Rundgang

Im St. Theresa’s Hospital gibt es wie bei uns verschiedene Unterbringungen. Sowohl für Privatpatienten, die die Kosten selber übernehmen, als auch für Versicherte und die nicht versicherten Armen.

Ein Krankenzimmer 2. Klasse

Insgesamt gibt es 50 Krankenschwestern, 70 Ärzte und 17 Auszubildende zur Krankenschwester und Platz für 300 Patienten. Die Grundausbildung dauert drei Jahre, der Bachelor of Science 3,5 Jahre und der Master of Science 4 Jahre. Der Anfangsverdienst beträgt je nach Abschluss mtl. 10,000/- Rs. (130 EUR), 15,000/- bzw. 20,000/- Rupien. Die Ausbildungskosten belaufen sich für Studiengebühren, Unterkunft und Verpflegung auf 70,000/- Rs. pro Jahr (ca. 930 EUR).

Schülerinnen der St. Theresa Klinik

Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass es hier alles Notwendige gibt und einer Behandlung in Deutschland sehr nahe kommt. Allerdings sind sowohl Ausstattung als auch die Unterkünfte auf deutlich älterem Stand und wesentlich einfacher.

Ausbildungsraum Gynäkologie

Empfang bei den Schwesternschülerinnen

Wir haben Sunitha kennengelernt, die ihre Ausbildung vor 3 Monaten abgeschlossen hat und nun angestellt ist. Da sie bzw. ihre Eltern die Kosten für die Ausbildung nicht aufbringen konnten, hat AV Kosten für die Ausbildung für 2 Jahre mit ca. mit 1.860 EUR übernommen. 50,000/- Rs. hat sie als zinslosen Kredit vom Krankenhaus erhalten, den sie in 10 Monatsraten zurückbezahlten muss.

Im Haupthaus werden 21 Schwestern- Schülerinnen ausgebildet. Hier treffen wir Alekya, die für 1 Jahr durch AV für ihr Medizinstudium unterstützt wurde. Sie möchte gerne noch die sehr teure 3-jährige Beamtenlaufbahn absolvieren. Die Kosten betragen allerdings pro Jahr 7,00,000/- Rs. (9.350 Euro).

Computer-Raum

Einen kleinen Einblick in das St. Theresa Hospital gibt es auch in diesem Video

Street-Children-Home

Anschließend fahren wir zu einem Heim für Straßenkinder. Nach einer sehr herzlichen Begrüßung und einigen überwältigenden Tanzaufführungen wurden wir mit den Details konfrontiert. Das Heim wurde im Jahr 2000 gegründet und startete mit 15 Mädchen. Zurzeit leben hier 85 Mädchen, welche von der Polizei auf der Straße aufgegriffen und hier hergebracht wurden. Die meisten Mädchen sind in der Regel Vollwaisen, einige wenige Halbwaisen. Meistens lebt dann nur noch die Mutter, die nicht ausreichend für ihre Kinder sorgen kann, so dass diese gezwungen wären zu betteln oder zu arbeiten. An eine Schulbildung wäre überhaupt nicht zu denken. Einige der Mädchen leben hier zusammen mit ihren Schwestern. Brüder hingegen werden in ein eigenes Boys-Hostel gebracht. Trotz Recherchen ist es leider nicht immer möglich, die Geschwister ausfindig zu machen, so dass die Geschwister keinen Kontakt haben und die Erinnerung an die Familie verblasst. Denn viele der Mädchen sind schon seit früher Kindheit mit fünf oder sechs Jahren aufgenommen worden und leben teilweise schon bis zu elf Jahre hier. Sofern es möglich ist, besuchen die Mütter ihre Kinder ein Mal im Monat.

Mädchen des Street Children Home in Hyderabad

Mädchen des Street Children Home

Die Mädchen besuchen sowohl Primary Schulen (Grundschulen) als auch Colleges und sogar eine internationale Schule. Fünf von ihnen machen eine Ausbildung zur Krankenschwester. Die Schlafräume sind einfach und mit zehn Stockbetten sowie mit einfachen Matratzen ausgestattet. Die Stockbetten stehen in zwei Reihen à fünf Stockbetten aneinandergereiht. Insgesamt finden also zwanzig Kinder Platz in einem Raum. Jedes Kind hat einen Spind, in dem die Schulsachen und die Kleidung und persönliche Gegenstände wie Zahnbürste etc. untergebracht werden können. Insgesamt gibt es Platz für 100 Mädchen. Die kleinen Kinder schlafen ggf. zu zweit in einem Bett.

Die meisten von Ihnen verlassen das Heim erst nach Beendigung der Schule bzw. des Colleges. Fünfzehn wurden bereits verheiratet, wobei die Schwestern bei der Auswahl der Ehemänner besondere Vorsicht walten lassen.

Wir sprachen mit Sangeetha. Sie ist Vollwaise und wurde mit 5 gefunden und in das Street- Childrens-Home gebracht. Jetzt ist sie 15 Jahre und besucht die 8. Klasse. Sie erinnert sich nicht mehr an viel. Nur noch, dass sie einen Bruder hat. Sie kann sich auch nicht an den Namen erinnern. Vermutlich wurde er irgendwo anders hingebracht oder er lebt immer noch irgendwo auf der Straße oder in den Slums. Sie hat ihn bisher nie wiedergesehen. Aber das wäre ihr größter Wunsch.

Maurita ist aus Kurnool und jetzt 13. Sie kam vor zwei Jahren hierher. Sie hat noch einen jüngeren Bruder. Sie ist Halbwaise. Ihre Mutter ist Krankenschwester und versucht sie ein Mal im Monat zu besuchen.

Masunu, 15 und Akbari, 18 Jahre sind Geschwister und seit 8 Jahren im Street- Childrens-Home. Sie besuchen die 9. bzw. 11. Klasse. Ihre alleinerziehende Mutter kommt ebenfalls ein Mal im Monat zu Besuch.

Zuletzt haben wir mit Biggi gesprochen. Sie ist seit vier Jahren, seit ihrem 7. Lebensjahr, hier und ebenfalls Vollwaise. Sie erzählt uns, dass sie noch einen Bruder und eine Schwester hat, aber von keinem der beiden weiß, wo sie leben.

Wir wurden restlos überzeugt, dass es sich bei dem Street-Childrens-Home um eine absolut notwendige Einrichtung handelt, die gar nicht genug geschätzt und unterstützt werden kann. Es ist für alles mit dem Notwendigsten gesorgt, so dass die Kinder ausreichend ernährt werden, eine angemessene Unterkunft haben, eine Schulbildung erhalten und damit einen geregelten Tagesablauf kennen.

Einziger Wehmutstropfen ist, dass die Heime alle Geschlechterspezifisch sind. Das ist sowohl historisch als auch organisatorisch bedingt. Somit ist eine Zusammenführung von Geschwistern um vieles aufwendiger und schwieriger bzw. häufig gar nicht möglich. Schön wäre es, wenn es in unmittelbarer Nähe auch ein Street-Childrens-Home für Jungs geben würde.

 

Die Mädchen haben uns mit einem bezaubernden Lächeln, strahlenden Augen, unglaublich schönen Tänzen und mit einer beeindruckenden Offenheit empfangen. Sie haben uns Ihre Geschichten erzählt, soweit sie sich daran erinnern konnten. Dabei kam zum Ausdruck, dass sie glücklich sind, weil sie hier eine neue, ganz andere Familie und ein neues Zuhause gefunden haben und sich wohl fühlen. Sie wissen und schätzen, dass die Schwestern sich liebevoll um sie kümmern und ihnen das Notwendigste zur Verfügung stellen und sie eine Schulbildung erhalten, die ihnen eine bessere Zukunft ermöglichen soll. Aber natürlich bleibt der Wunsch nach mehr persönlicher Geborgenheit und die eigenen noch vorhandenen Familienmitglieder zu sehen.

Beate

Zur Fortsetzung des Reiseberichts Teil 3

 

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